Bibiana kämpft den Weg frei
11.09.2017 - Am Sonntag erlebte das 1936 eröffnete Berliner Olympiastadion einen weiteren historischen Moment, den kaum jemand im Laufe der 81-jährigen Geschichte des Hauptstadt Sport-Tempels erahnen konnte: Mit Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus pfiff erstmalig seit Gründung der Fußball-Bundesliga eine Frau eine Erstliga-Partie. Und „Bibi“ machte Ihre Sache – wie eigentlich auch nicht anders zu erwarten – gut.
Das war allein schon deshalb nicht anders zu erwarten, weil nicht wenige Fachleute der Branche (und auch der Schiedsrichterzunft) die 38-jährige Polizeihauptkommissarin gern schon in der vergangenen Saison in Liga 1 gesehen hätten. Steinhaus, die bereits zweimal zur „Weltschiedsrichterin des Jahres“ ausgezeichnet wurde, soll durch ihre überragenden Leistungen und den entsprechenden Benotungen die Aufstiegs-Rangliste 2015/16 souverän angeführt haben und dennoch nicht für die höchste Spielklasse berücksichtigt worden sein.
Erklärungsnot beim Schiri-Boss
Die Nichtberücksichtigung war kaum nachvollziehbar, so dass DFB-Schiedsrichter-Boss Lutz Michael Fröhlich auch arge Erklärungsnot hatte und unzureichend gegenüber den Kollegen der „WELT“ erläuterte, dass sie in den vergangenen Jahren nicht im Perspektivbereich gewesen sei und die abgelaufene Saison die erste gewesen wäre, die außergewöhnlich gut gewesen sei. Die anstatt ihrer aufgestiegenen Referees hätten hingegen über Jahre hinweg konstant gute Leistungen gezeigt. Wie groß die zu erklärenden Nöte des Ober-Unparteiischen waren, deuten seine finalen Worte vor zwei Jahren an: „Nur um das ganz deutlich klarzustellen: Es gibt keine Anweisung, dass eine Frau in Deutschland nicht in der 1. Liga pfeifen darf. Das ist Quatsch", betonte Fröhlich vehement.
Aufstieg 2017
Was folgte, ist bekannt. Nun war Deutschlands Vorzeige-Spielleiterin ja im „Beobachtungsfokus“, und da ihre Leistungen konstant gut bis sehr gut blieben, kamen auch letzte Zweifler nicht mehr an Bibiana Steinhaus vorbei. Aufstieg 2017! So wurde die Lebensgefährtin von Ex-FIFA-Schiri Howard Webb, der am Sonntag neben 49.117 weiteren Zuschauern der Erstliga-Premiere seiner Liebsten beiwohnte, zunächst per Applaus herzlichst begrüßt, um in den folgenden 90 Minuten eine tadellose Leistung abzuliefern. Dass Schiri-Boss Fröhlich dennoch in seinem Statement gegenüber „BILD“ erwähnte, dass die absolut fitte Steinhaus „auch bis zum Schluss konditionell mithalten konnte“, muss man nicht erwähnen – kann man aber…
Leistung löst Geschlechterfrage
Deutschlands erste Erstliga-Schiedsrichterin wischt da Zweifel, ob es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Schiedsrichtern gibt, dagegen genauso souverän vom Tisch, wie sie an der Pfeife agiert: „Der einzige Unterschied zwischen mir und den 43 anderen Erst- und Zweiliga-Kollegen ist doch mein Pferdeschwanz. Die Leistung und die Entscheidungen müssen genauso stimmen wie bei den männlichen Kollegen, dann ist es doch völlig egal, ob Frau oder Mann das Spiel leitet.“ 98 Zweitligaspiele und der stete Kampf, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen, haben eben auch taff und selbstbewusst gemacht. Zwei Frauen-Weltmeisterschaften und Olympische Spiele inklusive die Final-Leitung 2012 haben das Übrige getan - Respekt, Frau Steinhaus!
Zeichen für den Nachwuchs
Neben der „unglaublichen Freude“ von DFB-Präsident Reinhard Grindel ließ dieser natürlich auch verlauten, dass er hoffe, dass die Erstliga-Nominierung und die Karriere von Bibiana Steinhaus sich positiv im Nachwuchsbereich der Mädchen bemerkbar machen werden. Wer weiß, dass von den etwas über 70.000 deutschen Schiedsrichtern nur irund 2500 Frauen und Mädchen sind, deren Zahlen zudem stagnieren oder zurückgehen, dem ist die Ernsthaftigkeit der Grindel-Aussage bewusst. Es wäre schön, wenn Bibiana Steinhaus zur Schiri-Trendsetterin der weiblichen Referees wird – eine glaubwürdigere und bessere Werbepartnerin kann der deutsche Fußball zurzeit nicht gewinnen!
© Wolfgang Gamerdinger ⁄ Wolfgang Gamerdinger