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"Dunkirk": Die wahre Geschichte

Christopher Nolan verfilmte mit "Dunkirk" die Schlacht von Dünkirchen. Wir besuchten den Originalschauplatz.

Der dreifach oscarnominierte Christopher Nolan ("The Dark Knight") drehte das Überlebensdrama "Dunkirk" (Sonntag, 23. Februar, 20.15 Uhr, ProSieben) an Originalschauplätzen  – mit erfundenen Figuren. Der 46-Jährige erzählt die Story aus drei verschiedenen Perspektiven: vom Strand (mit Kenneth Branagh und Harry Styles), aus der Luft (mit Tom Hardy und Jack Lowden) und vom Wasser aus (mit Mark Rylance und Cillian Murphy).

 

Am Strand wurden zeitweilig bis zu 1.300 Statisten für die auf Rettung wartenden Soldaten eingesetzt, in der Luft flogen unter anderem auch zwei echte Spitfires der Royal Air Force. Zwölf der 18 kleinen Boote sowie fünf der 40 großen Schiffe für die Dreharbeiten waren 1940 bei der "Operation Dynamo" wirklich im Einsatz – es handelt sich um den größten Marineeinsatz für einen Film aller Zeiten.

"Operation Dynamo": Was wirklich geschah

Zwischen dem 26. Mai und dem 4. Juni 1940 werden während der chaotischen "Operation Dynamo" 338.226 eingekesselte alliierte Soldaten von der französischen Kanalküste nach Großbritannien evakuiert – es war die größte Rettungsaktion aller Zeiten. Vor dem Start des neuen Films über die dramatischen Ereignisse besuchten wir die Hafenstadt Dünkirchen und sprachen zwei Experten über das, was damals wirklich geschah.

 

Nach einem Überraschungsangriff der Panzer der deutschen Heeresgruppe A über die Ardennen am 10. Mai 1940 waren nahezu 400.000 Soldaten des britischen Expeditionskorps und ihrer französischen, belgischen und niederländischen Verbündeten am Ärmelkanal eingekesselt. "Das war ein genialer Schachzug", sagt Joshua Levine, Autor mehrere Bücher über den Zweiten Weltkrieg und Berater von Regisseur Christopher Nolan. Bereits am 19. Mai beginnt der britische Colonel Lord Bridgeman – entspannt bei Schokolade und Whisky – mit dem Plan einer Evakuierung. Über die Häfen von Calais, Dünkirchen und Boulogne-sur-Mer sollen die Soldaten gerettet werden. "Dabei dachte man an etwa 30.000 Mann", so Joshua Levine. Doch am 22. Mai ist Calais in der Hand der Wehrmacht, die deutschen Panzer stehen nur 16 Kilometer vor Dünkirchen, während die Alliierten sich in einem Nord-Süd-Korridor von 48 Kilometer Länge in Richtung Lille sammeln.

 

Am 26. Mai um 18.57 Uhr startet dann die "Operation Dynamo". Nach der Zerstörung des Hafens von Dünkirchen durch Görings Luftwaffe strömen die Soldaten zu Zehntausenden auf einer Breite von acht Kilometern an die drei östlich gelegenen Strände und an die Mole. Der einen Kilometer lange Damm soll eigentlich nur verhindern, dass durch den starken Wind der Sand ins Hafenbecken gespült wird.

Jetzt beginnt eine endlose Wartezeit für die Männer, die am Strand hocken, während die deutsche Luftwaffe angreift. "Die Zerstörer konnten nicht an den Strand oder die Mole fahren", erklärt Levine, während wir an eben dieser windigen Mole stehen und uns gut 75 Jahre zurückversetzen. "Sie mussten sich etwas einfallen lassen. So benutzten sie Jollen und Walfängerboote. An der Mole wurden erst kleinere Boote gelandet, daneben größere und so weiter, über die sie kletterten. Am Strand wurden bei Ebbe Lastwagen geparkt, die dann bei Flut zur Landungsbrücke wurden."

 

Der Einsatz britischer Zivilisten

 

Als am 28. Mai das benachbarte Belgien kapituliert, verschlechtert sich die Lage dramatisch. Doch die Briten haben eine Idee. Über die BBC werden Zivilisten gesucht, die Boote besitzen. In den Tagen darauf sammelt sich eine seltsame Miniarmada, die schließlich Richtung Dünkirchen aufbricht.

 

Edle Jachten, Rettungsboote, Fähren, kleine Segler – jeder erdenkliche Schiffsstyp ist dabei. Gesteuert werden sie nicht von Soldaten, sondern von den Eigentümern. "Es waren 588 private Boote", sagt Neil Andrea, der als Koordinator in Sachen Marine für den Dreh Schiffe suchte. Er zeigt uns die 13-Meter-Jacht "Moonstone", Baujahr 1939. "Sie war bei der 'Operation Dynamo' nicht dabei, aber 1940 wurden baugleiche Boote genutzt, auf denen sich jeweils ungefähr 60 Soldaten drängten." Neil Andrea fand sogar zwei echte Navy-Schiffe von damals. "In Lettland standen zwei Zerstörer in einem Hinterhof, sogar der Motor sprang noch an!"

 

Am Strand von Dünkirchen regiert inzwischen das Chaos. "Es gab zwar 50 Beachmaster, die ein wenig für Ordnung sorgen sollten, aber das war kaum möglich", sagt Joshua Levine. Es kommt auch zu Gerangel zwischen den verschiedenen Nationalitäten. Winston Churchill hat angeordnet, dass neben Briten vor allem Franzosen gerettet werden sollen, um das durch die katastrophale Niederlage stark belastete Verhältnis unter den Alliierten zu kitten. Etwa 120.000 Franzosen, Belgier und Niederländer werden am Ende evakuiert.

Für diejenigen, die noch immer ausharren, wird es zunehmend gefährlicher. Die deutsche Luftwaffe greift Strand und Schiffe an, Minen werden gelegt, deshalb müssen die Briten mehrfach ihre Rettungsroute ändern. Die Versorgung der Soldaten macht ebenfalls Probleme. "Einige mussten die Lederriemen ihrer Helme essen, andere hatten Glück und fanden eine verlassene Kneipe und Champagner", so Joshua Levine. Schließlich spielt sogar das Wetter mit. "Es war teilweise bewölkt, aber nicht stürmisch. So konnten die Boote landen, aber die deutschen Stukas nicht angreifen." Am Ende sind die wenigen Flugzeuge der Royal Air Force bei Abschüssen sogar erfolgreicher als die deutsche Luftwaffe. "Die meisten Bomben, die auf den Strand fielen, blieben im Sand stecken. Seltsamerweise kam die Wehrmacht nicht auf die Idee, Dover anzugreifen", wundert sich Joshua Levine.

 

Als die "Operation Dynamo" in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni beendet wird, bleiben etwa 68.000 alliierte Soldaten – gefangen oder gefallen – zurück, zudem rund 65.000 Transportfahrzeuge, 2.400 Geschütze, 445 Panzer und 147.000 Tonnen Treibstoff.

 

Wer gab den "Haltbefehl"?

Bis heute verwundert es, dass die deutsche Armee so viele Soldaten hat entkommen lassen. Am 24. Mai hielten die Panzer für fast drei Tage an, obwohl der Weg nach Dünkirchen frei war. Kam der "Haltbefehl" von Adolf Hitler? "Es gibt viele Theorien dazu", sagt Joshua Levine. Von den 2.428 Panzern, mit denen die Wehrmacht über die Ardennen nach Frankreich einfiel, waren nur noch 1.220 einsatzbereit. Eine Pause vor dem Marsch auf Paris machte also militärisch Sinn. Das Kriegstagebuch der Heeresgruppe A ist widersprüchlich. Als möglicher Grund für einen Haltbefehl Hitlers wird oft angegeben, dass er für die Briten eine Schwäche hatte, ihnen auch vorher schon den Frieden anbot. Oder dass er seinen Generalen zeigen wollte, wer der große Führer sei.

Joshua Levine hat eine andere Theorie: "Ich denke, Hitler ließ sich von Hermann Göring zum Haltbefehl überreden. Der Chef der Luftwaffe gönnte Leuten wie von Rundstedt (Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt war Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A., die Red.) den Sieg nicht, es sollte ein Erfolg der nationalsozialistischen Idee sein."

 

Glücklicherweise ging genau das schief. "Ohne das evakuierte britische Expeditionsheer wäre Großbritannien wehrlos gewesen und hätte wie Belgien kapitulieren müssen", ist Joshua Levine überzeugt. "Deutschland hätte keinen Zweifrontenkrieg geführt." So aber gelang es Winston Churchill, aus einer katastrophalen Niederlage einen PR-Sieg zu machen. "Ich denke, dass die erfolgreiche 'Operation Dynamo' vorentscheidend für den Zweiten Weltkrieg war. Dünkirchen erinnert uns daran, welche Opfer nötig waren, damit wir heute in Europa in Freiheit leben."

 

Eine Freiheit, welche einige der evakuierten Soldaten sofort feiern wollten: Da sie von einer Themse-Fähre, auf der sogar die Kellner mitfuhren, aufgenommen wurden, bestellten sie erleichtert ein Bier. Die Antwort des Kellners war britisch trocken: "Sirs, sehr gern bringe ich Ihnen ein Bier – allerdings erst, wenn wir die Dreimeilenzone vor Dünkirchen verlassen haben."

© Goldene Kamera ⁄ Oliver Noelle
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