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Kommunalwahl in der Türkei - Erdogans letzter Kampf?

Istanbul ist eine der letzten Bastionen der Opposition in der Türkei - und Erdogan ein Dorn im Auge. Kritiker fürchten, ein Sieg seiner AKP in der Metropole könnte den Staatschef vollends entfesseln.
Recep Tayyip Erdogan
Ekrem Imamoglu

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zum Eroberungskampf aufgerufen. In Istanbul haben sich seine Anhänger versammelt, einige haben sich rote Bänder mit dem Namen ihres Präsidenten um den Kopf gebunden, andere hüllen sich in Fahnen mit Erdogans Gesicht. Für den Staatschef und seine AK-Partei geht es bei den Kommunalwahlen an diesem Sonntag um den Sieg über die großen Bastionen der Opposition im Land. Er scheut dabei keine Tricks.

Rund 61 Millionen Wähler sind am 31. März dazu aufgerufen, landesweit Bürgermeister und Kommunalparlamente zu wählen. Im Fokus der Wahl aber steht neben der Hauptstadt Ankara und der Millionenstadt Izmir an der Westküste besonders die Bosporus-Metropole Istanbul, die bevölkerungsreichste Stadt und das wirtschaftliche Herz des Landes, das derzeit von der Erdogans größtem politischen Gegner regiert wird.

Istanbul Schlüssel für Erdogans politischen Aufstieg und Niederlage

Für Erdogan ist die 16-Millionen-Metropole der Ort, an dem er seinen politischen Aufstieg erlebte. 1994 wurde er zum Bürgermeister von Istanbul gewählt, bevor er 2003 Ministerpräsident des Landes und 2014 Staatspräsident wurde. Istanbul ist aber auch Schauplatz der größten Niederlage seiner politischen Karriere. Gemeinsam mit Ankara und Izmir ging Istanbul 2019 nach mehr als 25 Jahren unter Regierung der AKP und ihrer islamisch-konservativen Vorgänger an die Partei CHP. Die AKP annullierte die Wahl - bei der Wiederholung gewann die Opposition mit noch größerem Abstand. Damals sahen viele darin den Anfang des Endes der Erdogan-Ära. Doch sein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2023 hat diese Hoffnung größtenteils begraben.

Sollte Istanbul zurück an die AKP gehen, droht laut Beobachtern zudem ein weiteres Abgleiten in den Autoritarismus. Erdogan könnte sich dadurch beflügelt fühlen und Grenzen austesten - zum Beispiel die einer Verfassungsänderung und sich damit eine erneute Amtszeit sichern, die die derzeitige Verfassung verbietet. Doch ausgemacht ist der Sieg in der Metropole noch nicht. Die Wirtschaftslage im Land ist schlecht, viele Rentner etwa sind wütend, ihre Stimme könnte das Blatt gegen Erdogan wenden. Ein weiteres Risiko für den Präsidenten ist der Aufstieg der islamistischen Yeniden Refah Partei, die der AKP Stimmen abgraben könnte.

Knappes Rennen zwischen AKP-Kandidat und Bürgermeister erwartet

Umfragen sagen ein knappes Rennen voraus zwischen dem Kandidaten der AKP und Ekrem Imamoglu von der landesweit stärksten Oppositionspartei CHP. Imamoglu, seit fünf Jahren als Bürgermeister im Amt, gilt außerdem weiter als einziger aussichtsreicher Herausforderer Erdogans bei einer künftigen Präsidentschaftswahl. 

De facto tritt er auch im Wahlkampf jetzt schon gegen den Staatspräsidenten an, auch wenn der gar nicht kandidiert. Nach mehr als 21 Jahren, in denen das System auf Erdogan zugeschnitten und auch die Wählerschaft emotional auf ihn eingeschärft wurde, läuft in dem Land politisch nichts ohne den 70-Jährigen. Und so soll es wohl auch bleiben: Der AKP-Kandidat für Istanbul ist Murat Kurum, ein farbloser Technokrat, der aus Sicht vieler als Strohmann des Präsidenten fungiert und im Wahlkampf eher durch Versprecher und ungelenke Tanzeinlagen auffiel. Nach Meinung des politischen Analysten Berk Esen steckt hinter der Nominierung des 47-jährigen ehemaligen Städtebauministers die Absicht Erdogans, innerparteilich keinen ernst zu nehmenden Konkurrenten aufzubauen. 

Aber auch für die Opposition steht einiges auf dem Spiel. «In einer immer autoritärer werdenden Türkei, die Ressourcen bei der Regierung konzentriert, brauchen Oppositionsparteien Zugang zu kommunalen Ressourcen, um zu überleben», sagt Esen. 

Innerparteilicher Widerstand und fehlende Unterstützung der Kurden

Den Sieg Imamoglus wollen aber nicht nur Erdogan und Kurum verhindern. Imamoglus Partei, die sozialdemokratische CHP steckt in scharfen Flügelkämpfen, auch innerparteilich gibt es Widerstand von alten säkularen Eliten gegen den gläubigen Muslim Imamoglu, heißt es. Auch auf die Unterstützung der kurdischen Wähler kann Imamoglu sich nicht verlassen. 2019 hatte die prokurdische Partei HDP ihm die Unterstützung ausgesprochen, nun schickt ihre Nachfolgepartei, die DEM, eine eigene Kandidatin ins Rennen.

Zum Nachteil der Opposition wirkt sich auch aus, dass der Wahlkampf unter stark ungleichen Voraussetzungen geführt wird: Die AKP hat weitaus mehr Zugriff auf finanzielle Mittel. 90 Prozent der Medien sind in Regierungshand, wo deren Sicht auf die Welt unhinterfragt verbreitet wird. Imamoglu droht zudem weiterhin ein Politikverbot. Der 53-Jährige war 2022 wegen Beleidigung verurteilt worden - sollte das Urteil rechtskräftig werden, darf er kein politisches Amt mehr ausüben. Kritiker sahen in dem Urteil den Versuch, den beliebten Politiker politisch kaltzustellen. «Imamoglu ist der beste Kandidat der Opposition», sagt Esen. Nach einem erneuten Sieg würde es sehr schwierig, Imamoglu abzuschreiben. «Das weiß auch Erdogan.»

Wohl auch darum kündigte Erdogan vor einigen Wochen an, die Wahlen nun seien seine letzten - laut Beobachtern der Versuch, AKP-Wähler emotional zu gewinnen. Der Politikanalyst Murat Yetkin erwartet das Gegenteil: Auf einen Sieg Kurums würde unweigerlich die Schwächung der Kontrollmechanismen in der Exekutive folgen, «und eine weitere Kandidatur Erdogans».

© dpa ⁄ Anne Pollmann, dpa
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