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«Lückenlose Aufklärung»: EKD-Ratsvorsitzende unter Druck

Einem früheren Kirchenmitarbeiter wird sexuell übergriffiges Verhalten in den 90er Jahren vorgeworfen. Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus gerät unter Druck: Wann hat sie von dem Fall gewusst?
Annette Kurschus
Annette Kurschus ist Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland - und aktuell in Erklärungsnot. © Stefan Puchner/dpa

Nach Vorwürfen sexuell übergriffigen Verhaltens gegen einen früheren Kirchenmitarbeiter ist auch die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus unter Druck geraten. Sie wird am Montag eine persönliche Erklärung abgeben. Das teilte die EKD mit.

Die Siegener Staatsanwaltschaft ermittelt in mehreren Verdachtsfällen gegen den Mann, der früher wie Kurschus im Kirchenkreis Siegen tätig war. Es geht um die Frage, was sie wann gewusst hat. Ob bei ihm strafrechtlich relevantes Verhalten vorliege, sei nach bisherigem Ermittlungsstand unklar, sagte ein Staatsanwaltschaft-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe bisher «keinerlei Hinweise, dass es zu körperlicher Gewalt oder einer Drohung gegen Leib und Leben gegen eine Person» gekommen sei.

Die «Siegener Zeitung» hatte die Aussage zweier Männer zitiert, die Kurschus in den 1990er Jahren «im Detail über die Missbrauchsvorwürfe informiert haben wollen». Beide hatten nach Angaben der Zeitung eine schriftliche Erklärung vorgelegt. Die EKD-Ratsvorsitzende hatte am Dienstag bei der Tagung der Synode in Ulm «Andeutungen und Spekulationen» der «Siegener Zeitung» gegen sich mit Nachdruck zurückgewiesen. Anfang 2023 sei eine anonyme Anzeige gegen den Beschuldigten eingegangen. «Vorher hatte ich keine Kenntnis von Taten sexualisierter Gewalt durch diese Person», betonte sie.

Kurschus war in den 1990er Jahren Pfarrerin im Kirchenkreis Siegen. Sie war nicht in derselben Gemeinde tätig wie der Beschuldigte und ihm nicht vorgesetzt, wie ein Sprecher des westfälischen Landeskirchenamts auf dpa-Anfrage erläuterte.

Distanzierungen und Forderungen nach Klarheit werden laut

Das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD ging auf Distanz zu Kurschus. In dem Gremium zur Aufarbeitung von Missbrauchstaten innerhalb der EKD und Diakonie sitzen Betroffene und Kirchenvertreter. «Wir sind in höchstem Maße besorgt, dass die Darstellung der Ratsvorsitzenden der EKD in einer entscheidenden Frage von den anderen Personen abweicht», hieß es. «Die aktuelle Berichterstattung stellt die Glaubwürdigkeit von Frau Kurschus in Frage.» Dies dürfe nicht zu einer Beschädigung aller Anstrengungen des Beteiligungsforums führen: «Es braucht eine klare, lückenlose und unabhängige Aufklärung in diesem Fall.»

Wie lautet konkret der Vorwurf gegen den Beschuldigten?

Laut Staatsanwaltschaft haben mehrere Personen unterschiedliche Vorwürfe gegen den jetzigen Rentner erhoben. Die Vorfälle sollten sich in den 1990er Jahren ereignet haben, einer in den 1980er Jahren, schilderte der Sprecher. Drei Zeugen seien noch nicht befragt worden, das solle bis Ende kommender Woche geschehen. Von «sexualisierter Gewalt» zu sprechen, sei aus juristischer Sicht nicht zutreffend, es gebe bislang keine Hinweise auf Gewalt oder Drohungen.

Es werde geprüft, ob der Mann seine damals «etwas herausragende Stellung» ausgenutzt habe, um sich jungen Männern in seinem Umfeld sexuell zu nähern. Es stehe im Raum, ob es zu Vorfällen gekommen sei, die als sexueller Missbrauch Schutzbefohlener zu bewerten seien. Aber: «Dieser Tatbestand würde ausscheiden, wenn die mutmaßlichen Geschädigten zur Tatzeit 18 Jahre alt waren», erklärte der Sprecher. Nach bisherigen Erkenntnissen seien zur angegebenen Tatzeit alle 18 Jahre alt gewesen: Einer sei nicht sicher, ob er noch 17 gewesen sei, bei den Ermittlungen sei dann von 18 auszugehen.

Die «Siegener Zeitung» berichtete am Freitag, es gebe in dem Fall nun auch Hinweise auf einen mutmaßlich minderjährigen Betroffenen. Der Behördensprecher sagte, dazu habe er keine Erkenntnisse. Es sei möglich, dass es sich um einen noch nicht vernommenen Zeugen handele.

Wie geht es weiter? 

Hinter den Kulissen gibt es einige Aufregung und Irritationen. Die Präses der Synode in Ulm, Anna-Nicole Heinrich, war auf Distanz zu Kurschus gegangen. Über deren dort abgegebene Erklärung hatte sie am Mittwoch vor Medienvertretern gesagt: «Ich selbst habe nicht geklatscht. Und ich muss sagen, ich war irritiert von dem Applaus.»

Führende Köpfe in der EKD seien entsetzt über Kurschus' Kommunikationsstrategie, berichtete die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Donnerstag). «Ihr monatelanges Schweigen und ihre Krisenkommunikation» hätten «Vertrauen im EKD-Rat, im Kirchenamt und unter den Bischöfen» gekostet. Nach FAZ-Informationen ließ Kurschus die EKD-Gremien monatelang über die Ermittlungen in Unkenntnis und informierte EKD-Rat und EKD-Kirchenkonferenz erst kürzlich.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der dpa, der Fall zeige «paradigmatisch, dass neben der katholischen Kirche eben auch hohe evangelische Geistliche wie die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus in der Vergangenheit bis heute rechtlich wie menschlich nicht sachgerecht mit Anzeigen von sexualisierter Gewalt umgegangen sind». Aus seiner Sicht stehe der Schutz der Institution «noch immer höher als die Sorge um die Opfer sexualisierter Gewalt». Auch wenn noch Aussage gegen Aussage stehe, sei der Vertrauensverlust für Kurschus irreparabel. Er vermutete: «Sie wird sich wohl nicht im Amt der EKD-Ratsvorsitzenden halten können.»

Kurschus war 1989 als Vikarin in den Kirchenkreis Siegen gekommen und dort später als Pfarrerin tätig. Von 2005 bis 2012 stand sie als Superintendentin an der Spitze des Kirchenkreises. Seit 2012 ist die heute 60-Jährige Präses der westfälischen Landeskirche, seit 2021 zudem EKD-Ratsvorsitzende. Auf dpa-Anfrage äußerte sie sich nicht.

© dpa ⁄ Yuriko Wahl-Immel und Christina Sticht, dpa
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