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Neue Standards für Gerichtsdolmetscher sind umstritten

In vielen Prozessen beherrschen Angeklagte die deutsche Sprache nicht. Damit sie sich äußern können, gibt es Gerichtsdolmetscher. Deren Qualität muss sich aus Sicht des Justizministeriums verbessern.
Gerichtsdolmetscher
Gerichtsdolmetscher in Deutschland fürchten schärfere Zugangsbedingungen. © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Gerichtsdolmetscher tragen mit ihrer Arbeit zu einem gerechten Prozess bei. Sie ermöglichen, dass Angeklagte ohne deutsche Sprachkenntnisse sich in Verhandlungen äußern und auch befragt werden können. Doch Vertreter des Berufsstandes befürchten einen Aderlass. 

«Der Bund verlangt seit Anfang letzten Jahres von allen fast 13.000 Dolmetschern, und die Bundesländer von 24.000 Übersetzern in Deutschland eine staatliche oder staatlich anerkannte Prüfung für die allgemeine Beeidigung», sagte Evangelos Doumanidis, Chef des Verbands allgemein beeidigter Verhandlungsdolmetscher und öffentlich bestellter und beeidigter Urkundenübersetzer in Baden-Württemberg (VVU). «Die Mühe wollen sich altgediente Kollegen nach Jahrzehnten nicht mehr machen», sagte der Griechisch-Dolmetscher der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. 

Die Qualität soll gesteigert werden

Das Dolmetschergesetz ist hochumstritten. Laut Doumanidis teilen die kleinen Berufsverbände seine Kritik. Der Zusammenschluss der Assoziierten Dolmetscher und Übersetzer in Norddeutschland (ADÜ) hat bereits Klage dagegen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. 

Das Bundesjustizministerium will mit dem neuen Gesetz die Qualität der Leistungen der Dolmetscher steigern. Bislang konnten sich Dolmetscherinnen und Dolmetscher auch in Ländern mit geringen Anforderungen beeidigen lassen und sich im gesamten Bundesgebiet auf diese Beeidigung berufen. 

Nun ist ein einheitlicher Anforderungskatalog mit einer Dolmetscherprüfung verbindlich zu beachten. Bis Ende 2026 läuft - mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen -  eine Übergangsfrist. Danach können Dolmetscher, wenn sie nicht die neuen Kriterien erfüllen, nur noch ad hoc für einen Prozess vereidigt werden.

Der größte Verband, der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ), hat Verständnis für den Schritt des Ministeriums. Die bisherige Situation der unterschiedlichen Regelungen des Zugangs nach Landesgesetz sei unbefriedigend. Es brauche bundesweit einheitliche und hohe Standards für die allgemeine Beeidigung von Gerichtsdolmetschern. Auch die Richter versprechen sich von den neuen Zulassungsanforderungen eine weiterhin hohe Qualität von Gerichtsdolmetschern.

Sorgen um den Nachwuchs

Verschärfte Zugangsvoraussetzungen werden nach Überzeugung von Doumanidis die bereits bestehenden Nachwuchsprobleme verstärken. Die Anfängerzahlen in den entsprechenden Studiengängen fielen tendenziell. Das sei für den Rechtsstaat verheerend, denn der Angeklagte, die Parteien und Zeugen vor Gericht müssten sich möglichst in ihrer Muttersprache äußern können. Das sehe auch das Gerichtsverfassungsgesetz als Grundlage eines fairen Prozesses vor, so Doumanidis. 

Auch der Deutsche Richterbund (DRB) registriert Engpässe. «In der Tendenz besteht ein Mangel an geeigneten Dolmetscherinnen und Dolmetschern für die Justiz», sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Das betreffe insbesondere Sprachen aus Ländern des Nahen Ostens oder Südostasiens sowie spezielle regionale Dialekte. Die Probleme hätten sich über die Jahre eher verschärft, weil die Zahl der zu übersetzenden Sprachen und Dialekte steige, während die Zahl der verfügbaren Dolmetscher knapp sei. 

Zu einem Engpass bei geeigneten Gerichtsdolmetschern wird es nach Prognose des Justizministeriums nicht kommen. Denn Dolmetscher mit dem alten Eid könnten auch nach dem 31. Dezember 2026 von den Gerichten für eine Ad-Hoc-Vereidigung herangezogen werden.

Die dreiteilige neue staatliche Prüfung umfasst schriftliche und praktische Anteile. Doumanidis hält sie für überflüssig. «Das kostet Zeit, Geld und Vorbereitung, die bei ohnehin schlechter Bezahlung viele zum Aufhören bewegen könnten», prognostizierte der Dolmetscher. Es müsse einen Bestandsschutz für die alten Eide geben. 

KI wird nicht als Bedrohung gesehen

Auch dem ADÜ fehlt eine Bestandsschutzregelung für «Altvereidigte». Somit drohten Tausende unverhältnismäßige Eingriffe in die Berufsfreiheit. Einem generellen Bestandsschutz steht der BDÜ jedoch kritisch gegenüber, da dieser dann auch für Personen gelte, die in der Vergangenheit ohne einschlägige Prüfungen oder relevante Qualifikationsnachweise vereidigt wurden. Dies, so BDÜ-Präsidentin Norma Keßler, konterkariere das Ziel des Gesetzes. Bestandsschutz müsse an Qualitätsnachweise gebunden werden. 

Personallücken mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu füllen, ist noch Zukunftsmusik. «KI-Lösungen können nach aktuellem Verfahrensrecht keine Dolmetscherleistung ersetzen», heißt es beim Richterbund. Sie ermöglichten aber eine erste Vorabbewertung zur Relevanz und Dringlichkeit von Schriftstücken. Baden-Württemberg habe etwa einen maschinellen Service entwickelt, um verfahrensrelevante Dokumente schnell zu identifizieren, die dann an einen menschlichen Dolmetscher weitergeleitet werden.

Das Bundesjustizministerium verweist auf das Gerichtsverfassungsgesetz, das Dolmetscherleistungen nur durch Menschen vorsieht. KI könne aber von Gerichten und Verfahrensbeteiligten genutzt werden, um sich den Inhalt von Schriftstücken durch maschinelle Übersetzung zu erschließen. 

Der BDÜ befürchtet für seine Mitglieder zumindest auf absehbare Zeit keinen flächendeckenden Jobverlust. Dolmetscher und Übersetzer verwendeten neue Technologien schon seit vielen Jahren als Hilfsmittel. 

Beim Dolmetschen gehe es auch nicht nur um die Wiedergabe des gesprochenen Worts: Auch Färbungen in der Stimme, ironische, sarkastische, humorvolle oder auch beleidigende Äußerungen müssten entsprechend übertragen werden. Verbandschefin Keßler: «Das kann KI noch lange nicht zuverlässig.»

© dpa ⁄ Julia Giertz, dpa
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