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Prozess um Krawalle bei G20: Protest oder Landfriedensbruch?

Mehr als sechs Jahre nach dem G20-Gipfel geht es vor dem Landgericht Hamburg um einen gewaltsamen Aufmarsch. Fünf der sechs Angeklagten erscheinen zum Prozess und erklären, dass sie nur demonstrieren wollten.
Prozess zu G20-Ausschreitungen
Der Angeklagte Nils Jansen (M), die Richter, Anwälte sowie weitere Angeklagte stehen im Gerichtssaal. © Georg Wendt/dpa

Mit jahrelanger Verzögerung haben die gewaltsamen Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg jetzt ein juristisches Nachspiel. Vor dem Landgericht der Hansestadt hat am Donnerstag ein Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen - ebenfalls mit Verzögerung. Denn eine der Angeklagten erscheint nicht.

Nach über einer Stunde eröffnet die Große Strafkammer die Sitzung trotzdem und beschließt, das Verfahren gegen die 32-Jährige abzutrennen. Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung war in gleicher Weise mit der Anklage gegen eine weitere, siebte Beschuldigte umgegangen worden, wie ein Gerichtssprecher sagte.

Übrig bleiben vorerst fünf Angeklagte. Den drei Frauen und zwei Männern werden in der Anklageschrift vom 26. September 2019 gemeinschaftlicher schwerer Landfriedensbruch und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Weitere Anklagepunkte lauten auf versuchte gefährliche Körperverletzung, Bildung bewaffneter Gruppen und Sachbeschädigung.

Aufmarsch war laut Anklage gewalttätig

Die Angeklagten sollen sich am 7. Juli 2017 an einem Aufmarsch von 150 bis 200 Gipfelgegnern beteiligt haben, der am Altonaer Volkspark begonnen hatte. Aus der Menge der einheitlich Schwarzgekleideten heraus seien Polizisten aus Schleswig-Holstein mit Steinen beworfen worden.

Teilnehmer des Aufmarsches hätten Verkehrsschilder, eine Bushaltestelle, ein Firmengebäude und zwei Autos beschädigt. Als weitere Beamte den Marsch in der Straße Rondenbarg im Stadtteil Bahrenfeld stoppten, seien sie massiv mit mindestens 14 Steinen und vier Feuerwerkskörpern angegriffen worden.

Angeklagte: Proteste gegen G20 werden kriminalisiert

Zwei der Angeklagten, der 28-jährige Wirtschaftsstudent und ehemalige Verdi-Jugendvorstand von NRW, Nils Jansen, sowie eine 34 Jahre alte Erzieherin aus Berlin, verlasen vor Gericht abwechselnd eine gemeinsame Erklärung, auch im Namen der übrigen Beschuldigten. Darin hieß es, dass keinem von ihnen eine individuelle Tat vorgeworfen werde. Eine bloße Beteiligung an einem Demonstrationszug solle für die Anklage ausreichen. Damit würden die Proteste gegen den G20-Gipfel kriminalisiert.

Auf der Anklagebank saßen noch eine 51-jährige Fremdsprachenkorrespondentin aus Villingen-Schwenningen (Baden-Württemberg) und eine 36 Jahre alte Fertigungsmechanikerin aus Stuttgart sowie ein angehender Fitness-Trainer im Alter von 29 Jahren aus Bonn.

Richterin: Mögliche Strafen wären wohl schon verbüßt

Die Vorsitzende Richterin Sonja Boddin erklärte die Verzögerung des Verfahrens mit dessen Umfang und vor allem mit der Corona-Pandemie. Bei einer Verurteilung müsste wegen der langen Dauer ein Teil der Strafe als verbüßt angesehen werden. «Es ist vorstellbar, dass gar nichts übrig bleibt», sagte die Richterin.

Es würde dann nur um den Schuldspruch gehen. Boddin bedauerte, dass der Prozess mit den langen Anreisewegen eine große Belastung für die Angeklagten sei. «Schlafmangel ist was Furchtbares», sagte sie zu einer Angeklagten, die 14 Stunden über Nacht mit dem Zug aus Stuttgart nach Hamburg unterwegs war. «Aber wir müssen verhandeln, wir haben keine andere Wahl.» Die Kammer hat 24 weitere Verhandlungstermine bis Mitte August angesetzt.

Gericht will Gutachter zu «Finger»-Strategie befragen

Nach Ansicht der Richterin müssen im Prozess grundsätzliche Dinge geklärt werden: «Was darf Protest?» Und: «War es eine normale Demonstration?»

Dazu wolle sie einen Politikwissenschaftler als Sachverständigen laden, der die damalige Proteststrategie mit verschiedenen Aufzügen als «Finger» bewerten solle. Mit Blick auf die Darstellungen der Staatsanwaltschaft und Angeklagten sagte sie: «Wir meinen, dass beide Sichtweisen etwas verkürzend sind.»

Boddin bat die rund 40 Zuhörer im Saal - überwiegend Unterstützer der Angeklagten -, Äußerungen vor Gericht nicht mit Gelächter oder Applaus zu quittieren. Zuvor war bereits ein Schöffe wegen seiner Eidesformel «so wahr mir Gott helfe» lächerlich gemacht worden.

Die Erklärung einer Verteidigerin, in der sie die Einstellung des Verfahrens forderte, sowie die Stellungnahme der Angeklagten wurden trotz der Ermahnung mit lautem Applaus bedacht.

Staatsanwältin: Bundesgerichtshof hat Klarheit geschaffen

Mit Blick auf den Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs betonte eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft, dass das Grundgesetz nur die friedliche Versammlung unter freiem Himmel ohne Waffen schütze. Der Aufmarsch vom 7. Juli 2017 sei jedoch von Anfang an unfriedlich und auch bewaffnet gewesen. Gewalttaten könnten dann allen Teilnehmern zugerechnet werden. Das habe der Bundesgerichtshof zuletzt am 13. Dezember 2021 festgestellt.

Die Bundesrichter hatten die Schuldsprüche in einem anderen G20-Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs vom 10. Juli 2020 bestätigt. Die fünf damals Angeklagten waren unter rund 220 schwarz Vermummten gewesen, die ebenfalls am Morgen des 7. Juli 2017 über die Hamburger Elbchaussee gezogen waren. Aus dem Aufmarsch heraus waren Autos und Gebäude angezündet, zahlreiche Scheiben eingeschlagen und Häuser mit Farbe beschmiert worden.

Protest gegen Prozess vor Gerichtsgebäude

Vor Beginn des Prozesses protestierten am Donnerstag rund 40 Menschen aus der linken Szene gegen das Verfahren vor dem Gerichtsgebäude. Der Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Norbert Hackbusch sprach den Angeklagten seine Solidarität aus. Eigentlich müsste die Polizei wegen der Übergriffe von Beamten angeklagt werden, meinte Hackbusch.

Er kritisierte, dass alle Menschen vor Gericht gestellt werden könnten, die an einer Demonstration mit gewaltsamen Zwischenfällen teilgenommen hätten. «Was ist das für ein ungeheuerlicher Angriff auf jedes Demonstrationsrecht», sagte der Linken-Abgeordnete.

© dpa
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