Games Music Hörbücher Gymondo MyTone Alle Services
vodafone.de

Ganztag: Opposition vermisst verbindliche Qualitätsstandards

In ihrem Koalitionsvertrag versprechen CDU und Grüne ein Landesgesetz, um den Anspruch der jüngsten Schüler auf ganztägige Förderung umzusetzen. Wird das aufgeweicht?
OGS-Plätze
Schülerinnen und Schüler einer Grundschule sitzen mit Abstand in ihrem Klassenraum. © Marcel Kusch/dpa/Archivbild

SPD und FDP haben der nordrhein-westfälischen Landesregierung vorgeworfen, bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule auf verbindliche Qualitätsstandards zu verzichten. Deshalb habe sich die Regierung stillschweigend von ihrem Versprechen im Koalitionsvertrag verabschiedet, ein Landesausführungsgesetz vorzulegen, kritisierten Abgeordnete beider Oppositionsfraktionen am Freitag in einer Sondersitzung des Schulausschusses.

Eine klare Antwort, ob das Gesetz noch komme, blieb Schulministerin Dorothee Feller (CDU) in der hitzigen Debatte im Düsseldorfer Landtag schuldig. Auf diese mehrfach von SPD und FDP wiederholte Frage, erwiderte sie lediglich, weitere Umsetzungsregelungen seien in Arbeit und würden in nächster Zeit bekannt gegeben.

Ja? Nein? Vielleicht?

Selbst das Wort «Landesausführungsgesetz» habe die Ministerin in der rund zweistündigen Debatte vermieden, stellte die FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech fest. Nicht einmal mit ihrer Vorgabe «Ja? Nein? Vielleicht?», konnte die Liberale der Schulministerin die gewünschte Festlegung entlocken. Statt Farbe zu bekennen, gebe es nur «Rumgeeiere», kritisierte Müller-Rech. «Sie wollen eine absolute Schmalspur-Lösung umsetzen und keinen Deut mehr.»

Der Rechtsanspruch auf einen Platz in der sogenannten Offenen Ganztagsschule (OGS) greift ab dem Schuljahr 2026/27 bundesweit für Grundschulkinder. Das Bundesgesetz nimmt dafür die kommunalen Träger der Jugendhilfe in die Pflicht.

Die seien aber mit den finanziellen Folge überfordert und wüssten nicht, wie sie den Anspruch personell, baulich und räumlich erfüllen sollten, argumentierten Abgeordnete der SPD und FDP. Die AfD äußerte sich in der Debatte nicht.

Sparen statt Kinder fördern?

«Es gibt kein Ausführungsgesetz, weil Sie sich nicht an der Finanzierung beteiligen möchten», warf die SPD-Abgeordnete Dilek Engin der Ministerin vor. Stattdessen habe die Landesregierung in der vergangenen Woche bloß ein paar Leitlinien vorgelegt, die gar nichts Neues beinhalteten. «Damit ist die große Chance vertan, die Offene Ganztagsschule (OGS) auf vernünftige Füße zu stellen», mahnte auch die SPD-Abgeordnete Andrea Busche.

Feller wies die Kritik zurück. Die vorgestellten fachlichen Grundlagen seien lediglich ein Zwischenschritt, um den kommunalen Trägern Klarheit zu geben.

Die Opposition hielt dagegen, dort seien auf drei Seiten nur Selbstverständlichkeiten aufgeschrieben worden - etwa, dass bereits bestehende Ganztagsangebote und Kooperationen mit Partnern aus Sport, Kultur und anderen Bereichen fortgesetzt werden dürften. Auch das Personal soll zunächst weiter beschäftigt und später weiter qualifiziert werden.

Ein solcher Bestandsschutz wäre ebenso wie eine Weiterentwicklung der OGS in einem Landesgesetz regelbar gewesen, sagte der SPD-Abgeordnete Frank Müller. «Sie zementieren einen Flickenteppich. Das ist kein Zwischenschritt», hielt er Feller vor.

Es bleibe reine Glückssache, welche Kommune ein gutes Angebot schaffen könne. «Das Parlament ist aber zuständig für gleichwertige Lebensbedingungen der Kinder in Nordrhein-Westfalen», mahnte der Sozialdemokrat. Wenn jetzt auf alter Grundlage einfach quantitativ ausgebaut werde, sei im Nachhinein «bei der Qualität nichts mehr zu reparieren».

«Weiter so ist viel zu wenig»

Auch die Lehrergewerkschaft Bildung und Erziehung betonte in einer Mitteilung: «Weiter so ist viel zu wenig.» Ähnlich kritisch äußerten sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die Arbeiterwohlfahrt.

Feller hielt dagegen, gerade in der herausfordernden Ausbauphase gebe die Landesregierung keine unerfüllbaren Standards vor - weder räumlich noch personell. Das entspreche dem Wunsch der Kommunen.

Falsch sei der Vorwurf der Opposition, diese könnten wegen fehlender Planungssicherheit noch nicht bauen. Tatsächlich seien die entsprechenden Förderbedingungen bereits im vergangenen Herbst bekannt gegeben worden.

Kein Ganztag «in Kellerlöchern»

«Und es ist auch nicht so, dass die in irgendwelchen Kellerlöchern sitzen. Das stimmt ja nicht», sagte sie zur Befürchtung der SPD-Abgeordneten Engin, ohne landesgesetzliche Standards könnten die Ganztagskinder in fensterlosen Schulkellern landen. Das sei baurechtlich ausgeschlossen, stellten Mitarbeiter des Schulministeriums ebenso wie der CDU-Abgeordnete Jan Heinisch klar. Ohne die bereits gesetzlich festgelegten Anforderungen an Räumlichkeiten und Lichtverhältnisse gebe es gar keine Betriebsgenehmigung für die OGS.

CDU und Grüne warfen der Opposition vor, eine umsichtige schrittweise Umsetzung des Rechtsanspruchs aus parteipolitischen Gründen schlechtzureden. Von den Kommunen sei «Gestaltungsfreiheit statt Gängelband gefragt», sagte die CDU-Abgeordnete Andrea Stullich. Mit ihrem stoischen Beharren auf einem Landesausführungsgesetz stellten SPD und FDP «formelle Fragen vor Inhalte», kritisierte ihr Fraktionskollege Martin Sträßer.

Schließlich fange man beim Ausbau der OGS nicht bei null an, argumentierten die Vertreter der Regierungsfraktionen. «Wir haben in mehr als 95 Prozent unserer Grundschulen bereits einen offenen Ganztag», stellte Feller fest. «Wir sollten nicht so tun, als ob das alles schlecht ist, was da geleistet wird.»

Auch die Grünen-Abgeordnete Lena Zingsheim-Zobel versicherte, die umstrittenen fachlichen Grundlagen sein nicht das Ende im politischen Umsetzungsprozess. «Der Qualität wollen wir keine Absage erteilen.»

«Ich würde auch gern schreien»

Als sich gegen Ende der unversöhnlichen Debatte ein mitgebrachtes Baby zunehmend in Rage brüllte, bilanzierte die FDP-Abgeordnete Müller-Rech: «Ich kann die Unzufriedenheit total verstehen. Ich würde auch gern schreien. Ich halt mich aber zurück.»

© dpa ⁄ Bettina Grönewald, dpa
Das könnte Dich auch interessieren
Empfehlungen der Redaktion
77. Filmfestival in Cannes - Richard Gere
Tv & kino
Richard Gere über das Altern als Schauspieler
77. Filmfestival in Cannes - Emma Stone
Tv & kino
Welche Filmrolle Emma Stone nicht loslässt
Filmfestival in Cannes - Francis Ford Coppola
Tv & kino
Francis Ford Coppola und sein wahnsinniges «Megalopolis»
Online-Plattform X
Internet news & surftipps
Musk lässt Twitter-Webadressen auf x.com umleiten
Unechte Karettschildkröte schwimmt im Meeresmuseum von Stralsund
Das beste netz deutschlands
So gelingen Fotos durch die Glasscheibe eines Aquariums
KI Symbolbild
Internet news & surftipps
Europarat verabschiedet KI-Konvention
Max Verstappen
Formel 1
Formel-1-Star Verstappen sichert sich Pole Position in Imola
Ein Balkonkraftwerk in München
Wohnen
Wie melde ich mein neues Balkonkraftwerk an?